Ausdauer- oder Krafttraining als Boost für die Tischtennisleistung? Die Qual der Wahl! Athletiktraining im Fokus! 01/21
Die neue Serie „Athletiktraining im Fokus“ – soll Trainerinnen und Spielern eine Hilfestellung bieten Konditionstraining im Tischtennis bestmöglich durchzuführen. Dazu werden diverse Themen sportwissenschaftlich betrachtet und anhand der Tischtennispraxis bewertet. Die erste Ausgabe beschäftigt sich mit dem Thema der optimalen Wahl zwischen der gegensätzlichen Trainingsmethoden der Kraft und Ausdauer.
Kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining als physiologisches No-Go
Um möglichst seriöse Aussagen über das Athletiktraining im Tischtennis tätigen zu können sollte zunächst ein Blick auf die gegenwärtige Studienlage getätigt werden. Zwar gab es in den letzten Jahren deutlich mehr Publikationen, jedoch sind tatsächliche leistungsphysiologische Daten kaum zu finden. Wir versuchen die derzeitigen Studien dennoch zu interpretieren. Zuerst sehen wir uns die Lage im Bereich des Ausdauertrainings und in der Folge die Situation des Krafttrainings im Tischtennis an. Vorneweg gilt es einen faulen Kompromiss der beiden Methoden auszuschließen. Häufig wird behauptet, es sollte einfach beides zugleich trainiert werden. Hier sollte dagegengehalten werden, dass die Kraft und die Ausdauer physiologisch völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind. Dies zeigt sich anhand der gegensätzlichen Muskelfaserausprägung, Mitochondriendichte und anderen Parametern, wie an der sogenannten hormonellen Blockade des konkurrierenden Trainings, wenn die beiden konditionellen Fähigkeiten zu dicht aneinander trainiert werden (Nader, 2006). Sollte man sich doch für ein Ausdauertaining entscheiden - so gilt es dies zeitlich möglichst weit mit dem Krafttraining auseinander zu legen. Die Ausführungen lassen sich mit folgendem Satz zusammenfassen: Krafttraining und Ausdauertraining vertragen sich nicht.
Geringe Anforderungen an Ausdauer
Was soll denn nun in den Fokus genommen werden? Sehen wir uns zunächst die sportwissenschaftlichen Daten im Bereich Ausdauer und Tischtennis an. Um herauszufinden ob sie eine wichtige Rolle spielt – sollte die Sauerstoffaufnahme während eines Trainings und Wettkampfes betrachtet werden. Eine Publikation von Djokic (2007) zeigt Daten von 87 Spieler:innen welche über die Spielsaisonen 1997/98 bis 2004/2005 erhoben wurden.
Die durchschnittliche maximale Sauerstoffaufnahme des Herren-Nationalteams liegt in diesem Zeitraum bei 56.0 ml/kg/min. Zum Vergleich die untrainierte Zivilbevölkerung hat eine Vo2Max von 45.5 ml/kg/min (Loe et al., 2013), Profifußballspieler - 59.2 - 63.2 ml/kg/min (Slimani et al., 2019) und Leichtahtleten, ~85.0 ml/kg/min, (Noakes 2001).
Kurze Ballwechsel und lange Pausen
Eine weitere Möglichkeit, um die Wichtigkeit der Ausdauer bewerten zu können, wäre die Betrachtung der Ballwechseldauer. Hier analysierten Leite et al. (2017) die durchschnittliche Ballwechsel- und Ballwechselpausendauer von 21 Herreneinzel-Matches bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Letztendlich konnte eine mittlere Ballwechseldauer von 3.3 s (2.7–4.4) und eine Ballwechselpause von 18.6 s (14.5–23.4) ausgemacht werden.
Einige Autoren leiten aus diesen Daten nun Empfehlungen aufgrund der vorliegenden dominant anaerob alaktaziden Stoffwechselbelastung ab. So wäre eine gut ausgeprägte aerobe Kapazität höchstens für die rasche Regeneration in den Ballwechselpausen, als auch in den Matchpausen während eines Turniers, von Nöten (Kondric et al., 2013). Eine Untersuchung von Energieverbrauch, Sauerstoffaufnahme, Laktatkonzentration und Herzfrequenz bei sieben Jugendnationalspielern Deutschlands während des Training und Matches bestätigte die aus der Belastungsdauer ersichtlichen milden Ansprüchen auf den Stoffwechsel während eines Tischtennismatches und des Trainings (Sperlich et al., 2011).
Soll die Ausdauer nun gesondert trainiert werden? Im Normalfall - eher nein!
Nun zunächst sollte gesagt werden, dass die Interpretation durch die äußerst dünne Studienlage limitiert ist. Aus den vorhandenen Daten ist jedoch auf eine relativ geringe Relevanz der Ausdauerleistungsfähigkeit bei Tischtennisspieler:innen abzulesen. Die kurze Ballwechseldauer innerhalb eines Matches gepaart mit verhältnismäßig langen Pausen führen zu geringen Beanspruchungen der physiologischen Stoffwechselparameter. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass eine gute Ausdauerleistungsfähigkeit die Regeneration innerhalb und nach eines Trainings verbessert, da die Kreatinspeicher, die sich während der Belastung zunehmend leeren, mithilfe von Sauerstoff wieder aufgefüllt werden müssen. Natürlich könnte bei besonders ausdauer-schwachen Athlet:innen ein Grundlagenausdauertraining helfen. Jedoch sollte in Frage gestellt werden, ob im Tischtennis generell ein Ausdauertraining angewendet werden muss, da eher davon auszugehen ist, dass sich das cardio-vaskuläre System von Tischtennisspieler:innen durch die spezifische Belastung während des eigentlichen Tischtennisstrainings ohnehin anpassen wird.
Krafttraining als Verletzungsprävention oder gar zur Leistungssteigerung?
Nun machen wir dasselbe Spiel nochmal mit der konditionellen Fähigkeit Kraft – nämlich die Analyse der wissenschaftlichen Daten. Auch hier ist die Studienlage dünn. Deshalb versuchen wir die Herleitung aufgrund anderer Paramater.
Wozu sollte Krafttraining eigentlich dienen? Zunächst müssen zwei grundlegend unterschiedliche Ziele eines Krafttrainings festgehalten werden. Auf der einen Seite gibt es nämlich die indirekte und auf der anderen Seite die direkte Leistungssteigerung.
Eine indirekte Leistungssteigerung bezeichnet den Erhalt eines gesunden Systems und die damit verbundene Vorbeugung eines Sportschadens, der vor allem durch einseitige Belastung und einen zu schwachen passiven Bewegungsapparat entstehen kann. Die direkte Leistungssteigerung bezeichnet den unmittelbaren Effekt einer Trainingsintervention auf die sportliche Leistung. Wie zum Beispiel die Erhöhung der Kraftfähigkeit und die dadurch gewonnene Schnelligkeit in der Beinarbeit.
Verletzungen durch Überlastung bereits häufig bei jungen Tischtennisspieler:innen
Um die Auswirkungen eines Krafttrainings auf die indirekte Leistungssteigerung beurteilen zu können, sollten zunächst die Daten der Verletzungshäufigkeit und der betroffenen Segmente betrachtet werden. Durch den fehlenden Körperkontakt sind Verletzungen im Tischtennis, kaum überraschend, auf Belastungsschäden zurückzuführen. Kass (2014, S. 368-371) konnte in einem Zeitraum von fünf Jahren 62 Behandlungsfälle von 32 männlichen Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 im Tischtennisinternat des DTTB (Deutscher Tischtennisbund) aufzeichnen. Jeweils 24 Prozent der Behandlungsfälle waren demnach an der Wirbelsäule und am Knie. Immerhin 13 Prozent der Jugendlichen ein sog. Impingement-Syndrom (Verengung von Sehnen oder Muskel unter Schulterdach) festgestellt. 41 Prozent der Verletzungen fanden in den unteren Extremitäten satt. Hierbei wurden vordergründig Beschwerden durch Überlastung am Knie und Sehnenentzündungen rund um das Sprunggelenk aufgezeichnet.
Ein anderer Datensatz zeigt Verletzungen von Tischtennisspielern und des slowenischen Nationalteams (Kondric et al., 2009, S. 3-17). In dieser epidemiologischen Forschung wurden u.a. 29 Tischtennisspieler untersucht. Die Autoren machten allerdings keine Angabe zum Geschlecht des Samples. Die Verletzungen verteilten sich zu 32 Prozent auf den Fuß und das Fußgelenk, 21 Prozent auf die Schulter, 10 Prozent betrafen das Handgelenk, jeweils 16 Prozent die Wirbelsäule und die Hüfte, 8 Prozent den Oberarm und jeweils 3 Prozent den Rumpf und das Knie. In dieser Studie machten die muskulären Verletzungen über 52 Prozent aus. Gelenke waren zu 21 Prozent, Sehnen und Knoche jeweils zu 13 Prozent betroffen.
Die gute Nachricht: Krafttraining hilft!
Beide Studien haben, verteilt auf die tischtennisspielende Bevölkerung, sehr kleine Fallzahlen und beinhalten weder Verläufe noch Informationen einer Geschlechterspezifik. Außerdem handelt es sich bei Kass (2014, S. 368-371) um keine klassische epidemiologische Untersuchung, sondern um die Untersuchung eines vorselektierten verletzten Samples. Während die zweite Studie offenbar randomisierte Befragungen unter Eliteathleten vorgenommen hat und jenen vor der Erhebung keine Verletzung unterstellt hat. Daher sollte an dieser Stelle vor einer Überinterpretation und vor einem Vergleich der beiden Ergebnisse gewarnt werden. Dennoch zeigen beide Datensätze eine hohe Prävalenz an Schulterverletzungen bei einer jungen Altersgruppe und vergleichsweise wenig Trainingsjahren. Die gute Nachricht: Krafttraining hilft nachweislich bei der Vorbeugung dieser Verletzungen! Es gibt eine Vielzahl an wissenschaftlich Nachweisen für eine Stärkung der Muskulatur sowie der passiven Strukturen durch ein zwei Mal wöchentliches Krafttraining bei Kinder- und Jugendlichen (Faigenbaum et al., 1999; Faigenbaum et al., 1993; Nilsson et al., 1978, S. 81-86; Waugh et al., 2014).
Wir halten fest: Tischtennis ist kein ungefährlicher Sport für den passiven Bewegungsapparat. Krafttraining hilft nachweislich die Gefahr dieser Verletzungen zu verringern.
Verbessert Krafttraining einen Tischtennisspieler?
Krafttraining als Verletzungsprävention? - Gekauft! Aber nun wird's richtig spannend. Können Tischtennisspieler:innen durch Krafttraining direkt - zum Beispiel im Bereich der Schnellkraft profitieren? Grundsätzlich muss keine große Diskussion mehr geführt werden, ob Krafttraining die Schnelligkeit der Spieler:innen verbessern könnte. Die Antwort lautet nämlich klar: Ja! Da eine Vielzahl an Studien den Zusammenhang der Kraft bzw. Maximalkraft und der Schnellkraft belegt (McBride et al., 2009; Schmidtbleicher, 1980; Wirth et al., 2016; Wirth & Schmidtbleicher, 2012; Wisloff et al., 2004).
Nun wieso genau bin ich in dieser Aussage so sicher? Außerdem stellt sich die Frage welche Muskulatur am besten trainiert werden sollte – sprich Arme, Rumpf, Beine oder am Besten gleich alles zusammen? Wie sieht das optimale Einstiegsalter für ein Krafttraining aus? Wie oft sollten wir Krafttraining machen?
Diese und weitere spannende Fragen werden wir in der nächsten Ausgabe 2/21 von „Athletiktraining im Fokus!“ in Angriff nehmen.
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